Selbst(ständigen)-Organisation – Interview mit Finn Porter

Wie auf meiner Facebook-Page DigitAlly angekündigt, wird es hier im Blog regelmäßige *In*terviews geben. Mit Unternehmer-, Entwickler-, Blogger*innen, die eine spannende Geschichte zu erzählen haben, Tipps teilen oder ihr Produkt vorstellen möchten. Ich nehme gerne Bewerbungen oder Vorschläge entgegen! 😉 Und damit das alles wohlorganisiert abläuft, fange ich mit mit genau dieser Interviewpartnerin an.

Einer der vielen Vorteile der Selbstständigkeit ist, dass man sich wirklich ganz alleine aussuchen kann, mit welchen Tools man arbeitet. Andererseits ist die Auswahl auch fast respekteinflößend riesig. Ich hab in meinen bisherigen Jobs schon viele ToDo-, Projektmanagement- und Terminplanungs-Tools ausprobiert und auch Unternehmen beraten, die solche Tools im Rahmen eines Social Intranet etablieren wollten. Aber zum ersten Mal darf ich alleine entscheiden! 😉 Und so hab ich mir bereits viele Gedanken gemacht, was mir wichtig ist, wie ich mich organisieren will und was mir dabei helfen kann.

Dabei ist mir Finn Porters Blogpost über ToDoist untergekommen, das ich gleich mal ausprobieren musste. Und es war mir gleich sympathischer als Asana, das ich zuletzt im Office verwendet habe. Beim weiteren Durchlesen von Finns Blog bin ich noch auf Selbstorganisations-Tipps und andere Tools gestoßen, deshalb hab ich ihr auch gleich ein paar Fragen geschickt.  🙂

Finn Porter arbeitet als Productivity Consultant und Self-Management Coach in Wien. Mit individuellen Lösungen hilft sie Selbständigen, sich besser zu organisieren, sowie Teams, effizienter und besser zusammen zu arbeiten. Als Trainerin im 5starts Incubator unterstützt Finn Startups beim Aufbau ihrer interner Workflows.

Außerdem hat Finn eine Slack Community gegründet, in der sich LeiterInnen von Coworkingspaces vernetzen und voneinander lernen können. Gelegentlich ist sie Jurorin oder Mit-Organisatorin bei Startup-Events.

DigitAlly: In Deinem Blog teilst Du Strategien und Tipps zur Selbstorganisation. Zum Beispiel, dass man Notifications deaktivieren sollte, weil sie die Konzentration stören. Aber was empfiehlst Du, um überhaupt diese Konzentration zu ermöglichen? Also wie kann ich mich am besten auf einen komplizierten Task vorbereiten?

Finn Porter: Das ist eine Situation, die kennen wir alle. Man hat irgendein kompliziertes Task vor der Nase, aber der Kopf will sich nicht so recht damit beschäftigen. Vielleicht steckt man gedanklich noch beim vorherigen Task fest oder denkt schon an die drei nächsten, die vielleicht weniger kompliziert und damit verlockender sind. Zum Glück ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Das heißt, man kann sich das Konzentrieren auf Kommando selbst beibringen.

Wie man das macht? Die Lösung ist überraschend einfach: Rituale. Genauso wie dein Körper sich auf’s Schlafen einstellt, wenn du deine Abendroutine startest, kannst du dir eine Konzentrationsroutine angewöhnen. Immer wenn es notwendig ist, dich besonders auf etwas Kompliziertes oder Anstrengendes zu konzentrieren, machst du ein paar bestimmte Dinge vorher. Mit der Zeit lernt dein Körper dann was das heißt und schaltet brav auf Konzentration um.

Ich persönlich nehme mir 2 Minuten und mache eine Art Mini-Meditation: Augen zu, gerade hinsetzen und ein paar Mal tief durchatmen, um den Kopf von allem anderen frei zu kriegen. Dann drehe ich mir Musik auf, die mich nicht ablenkt aber trotzdem unterschwellig motiviert. Videospiel-Soundtracks sind dafür ideal, weil sie genau dafür gemacht wurden. Ich starte auch immer mit demselben Song, damit mein Kopf ein bisschen besser in die Konzentration rutscht.

Im Endeffekt ist es egal, welche Trigger du dir ausdenkst, solange es immer dieselben sind — bis dein Kopf gelernt hat, was du von ihm möchtest.

DigitAlly: Weil es gerade meine persönliche Situation ist, wär ich neugierig: Was ändert sich, wenn man aus einem Arbeitsumfeld mit von anderen vorgegebenen Deadlines usw. in die Selbstständigkeit wechselt? Wenn man durch den Druck von außen sehr produktiv, aber auch gestresst war, worauf muss man jetzt achten?

Finn: Ich denke, das schwierigste am Umstieg von angestellt auf selbständig ist, dass man sich den Druck plötzlich selbst macht. Als Angestellte bekommst du immer dein Gehalt, als Selbständige bist du selbst dafür verantwortlich, wieviel du verdienst. Das macht vielen zu schaffen und führt dazu, dass sie immer mehr Kunden und mehr Projekte annehmen, nur um sicher zu gehen, die Miete zahlen zu können.

Irgendwann kommen sie dann drauf, dass sie jetzt nicht mehr 40 Wochenstunden arbeiten sondern 60, nur weil sie sich davor fürchten, nicht genug zu verdienen. Das ist Stress pur und sicher schlimmer als der Druck vom Angestelltendasein.

In dem Fall hilft nur ein gutes finanzielles Setup, das deinen Bedürfnissen entspricht und dir immer Einblick gibt, wie du finanziell aufgestellt bist. Wenn du weißt, dass du genug auf der Seite hast, dann kannst du dir auch leichter mal Zeit für andere Dinge nehmen und entspannen. Das hilft dann auch mit der Effizienz und Produktivität, weil überarbeitete Menschen massiv an Produktivität verlieren.

DigitAlly: Und meinst Du, dass man das gut im Home Office mit allen Ablenkungen – von den Spielen in der Steam Library bis zur Katze am Sofa – hinbekommt? Oder sollte es doch ein eigenes Büro oder Platz im Coworking Space sein?

Finn: Das zu beantworten ist komplizierter als es auf den ersten Blick aussieht, weil es so viele Faktoren gibt, die man bedenken muss. Was für dich passt, kommt ganz auf dich und deine Situation an. Home Office oder Coworking — beides birgt die Gefahr, abgelenkt zu werden, aber grundsätzlich spricht sehr viel für einen Platz im Coworking-Space.

Coworker sind im Durchschnitt produktiver und die Connections, die man in der Community macht, sind auch um einiges wertvoller als normale Networking-Kontakte. Man hat immer jemanden für Feedback, Empfehlungen oder Ratschläge.

Außerdem kannst du dich auf der täglichen Fahrt in deinen Coworking Space geistig schon mal auf den Arbeitsmodus umstellen. Es ist auch einfacher, die Arbeit wirklich in der Arbeit zu lassen, weil man ja heimfährt. Andererseits können die anderen Coworker auch ganz schön ablenkend sein, und die Pausen werden oft auch länger als geplant.

Es macht aber auch manchmal Sinn, von zu Hause arbeiten. Wenn du keinen Coworking Space in akzeptabler Distanz hast, verlierst du relativ viel Zeit beim Pendeln. Das ist dann Zeit die du verwenden könntest um Sport zu machen oder Besorgungen zu erledigen.

Die Kostenfrage ist natürlich auch immer gegeben. Es ist aber definitiv besser, lieber ein bisschen mehr zu zahlen und dafür in einem guten Coworking-Space zu sitzen als irgendwo, wo du dich nicht wohlfühlst und nicht die Unterstützung bekommst, die du brauchst.

Wenn du von zu Hause arbeiten willst, liegt es aber an dir, einen eigenen Arbeitsbereich zu schaffen, der für nichts anderes genutzt wird. Du musst darauf achten, auch mal unter Leute zu gehen und wirklich echte Pausen zu machen. Es ist keine Pause, sich einen kleinen Snack zu holen und Twitter zu checken. Von zu Hause arbeiten verlangt einfach nach mehr Selbstverantwortung und Disziplin.

DigitAlly: Willst Du noch was loswerden?

Finn: Das wichtigste für hohe Produktivität ist, sich selbst zu kennen. Nur wenn du weißt, was du in bestimmten Situationen brauchst, kannst du auch deine Workflows daran anpassen. Stresszeiten brauchen einfach andere Systeme als ruhigere Zeiten. Projekte im Team müssen anders organisiert werden als nur die eigene Arbeit. Ausprobieren und Experimentieren ist wichtig, aber es ist genauso wichtig, sich selbst dabei zu tracken (z.B.: mit Toggl oder RescueTime), um herauszufinden ob etwas funktioniert oder nicht.

Danke Finn Porter für die Tipps!

(Fotos: Featured Image CC0)

 

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*